10 Fragen an Michael Öhlhorn

10 Fragen an Michael Öhlhorn07.03.2013

Der Sicherheitsexperte und erste freie Sachverständige für Versammlungsstätten in Deutschland, Michael Öhlhorn, ist Gründer und Geschäftsführer der Fa. Vabeg Eventsafety Deutschland GmbH, die seit 2001 mit einem Expertenbeirat aus Wissenschaft und Wirtschaft sowie mit knapp zwei Dutzend Sicherheitsfachpersonen für Versammlungsstätten Lösungen und Verfahrensweisen für sichere Veranstaltungen und Versammlungsstätten entwickelt. Die Vabeg aus Donauwörth ist bundesweit für rechtskonforme, ganzheitliche sichere Verfahrensweisen bekannt, die auf eine Vielzahl von Veranstaltungen sowie Versammlungsstätten angewandt werden. Darüber hinaus ist Michael Öhlhorn in ganz Deutschland ein anerkannter und gefragter Referent bei zahlreichen Institutionen und Unternehmen.

  1. Der Begriff „Veranstaltungssicherheit“ ist weder in Österreich noch in Deutschland irgendwo einheitlich und verbindlich definiert. Manche legen ihn daher eher etwas eng im Sinne einer rein technischen Sicherheit oder des Personenschutzes aus, andere definieren ihn weiter. Was verstehen Sie darunter?
    Für mich fällt alles darunter, was erforderlich und zumutbar ist, um die Sicherheit der Besucher und bedingt auch der Mitarbeiter zu gewährleisten. Dies umfasst je nach Veranstaltung einen sehr großen Bereich an unterschiedlichsten Aspekten. Das fängt bei technischen Themen wie Brandschutz, Blitzschutz, Baurecht, usw. an, dazu können aber auch spezielle Tätigkeiten wie z.B. die Prüfung der Mobilfunkkapazitäten, die Überprüfung der Baumsicherheit bei Freiluftveranstaltungen gehören. Weiters gehört dazu die Erstellung von Flucht- und Rettungsplänen, Beachtung des Jugendschutzes, usw, usw.

  2. Ist es mittlerweile üblich, dass sich Veranstalter und Eventagenturen mit dem Thema gewissenhaft auseinandersetzen, oder ist das noch eher selten der Fall.
    Das hat sich in den letzten 10 Jahren, aber vor allem seit dem Unglück auf der Loveparade stark gewandelt. Dass es immer noch nicht perfekt ist, zeigt sich beispielhaft an der Ausbildung: Eventmanager, wie sie in Deutschland an verschiedensten Weiterbildungseinrichtungen ausgebildet werden, bekommen immer noch meist nur wenige Stunden Unterricht zum Thema Sicherheit. Das reicht zwar für ein grundlegendes Verständnis für das Thema, aber nicht, wie man was richtig umsetzt oder bewertet. Veranstalter haben oft überhaupt keine veranstaltungsspezifische Aus- und Weiterbildung hinter sich, und beschäftigen sich mit dem Thema Sicherheit meist nur über „Learning by Doing „. Das ist sehr riskant. Pflichtbewusste Veranstalter oder auch Agenturen von größeren Events holen deshalb immer öfter externe Fachplaner an die Seite.

  3. Gibt es anerkannte Best-practice-Methoden in der Veranstaltungssicherheit oder kocht da jeder sein eigenes Süppchen?
    Die Veranstaltungssicherheit ist ein sehr weites Feld, wie schon eingangs beschrieben. Hier gibt es je nach Themenpunkt nur vereinzelt einige gute Praxisansätze. Ein Beispiel dafür ist das „Maurer-Schema“, ein etablierter Standard, der in Deutschland und Österreich zur Berechnung der erforderlichen Anzahl an Sanitätsdienstkräften herangezogen wird. Praxiserprobte ganzheitliche Methoden gibt es kaum, und auch nur ein Verfahren, das vom SGS TÜV zertifiziert ist und durch geschulte und zertifizierte Sicherheitsfachpersonen umgesetzt wird.

  4. Welche Auswirkungen hatte die Katastrophe bei der Love Parade 2010 auf die Sicherheitsorganisation von Veranstaltungen?
    Das gab bei den Genehmigungsbehörden einen enormen Ruck. Auch vielen Veranstaltern und Betreibern wurden dadurch schlagartig die Augen geöffnet und es besteht seither sehr viel mehr Verständnis und Pflichtbewusstsein im Zusammenhang mit dem Thema Sicherheit auf Veranstaltungen.

  5. Wie hoch sind die Kosten anzusetzen, die bei einem Event für die Sicherheit anfallen?
    Was die Planung und Konzeption sowie benötigte Sicherheitsmaterialien angeht, kann man von ca. 0,50€ bis 4€ pro Besucher rechnen. Die Höhe ist abhängig von der Besonderheit und Schwierigkeit der Location, und ob es sich um eine Erstplanung oder eine Wiederholungsplanung handelt. Zu den Kosten für Sicherheit kommen noch Personalkosten für Sanitätsdienst, ggf. Brandsicherheitswache, Sicherheitsdienst und ggf. Sonderpersonal dazu.

  6. Wer ist in der Praxis für die Planung und Umsetzung der Veranstaltungssicherheit in Deutschland zuständig?
    Wenn die Muster-Versammlungsstättenverordnung (MVStättV) gilt, zunächst der Betreiber bzw. der Veranstalter. Der holt jedoch meist externe Sicherheitsfachpersonen hinzu, die dann durch die Garantenstellung auch ein Stück Haftung automatisch übernehmen.

  7. Es ist ein leider weit verbreiteter Irrglaube, dass die Erfüllung von behördlichen Auflagen genügt und der Veranstalter damit haftungsrechtlich aus dem Schneider ist. Wie ist das in Deutschland ?
    Eigentlich genauso ! Änderungen der Rechtlage dürften aber dazu führen, dass die Behörden die Verantwortlichen in Zukunft jedoch immer mehr zur Eigenverantwortung drängen. In Bayern muss z.B. seit 2013 ein Veranstalter einer Freiluftveranstaltung ohne feste Tribünen nicht mehr zwingend die MVStättV umsetzen. Für ihn gilt sie rechtlich gesehen nicht mehr. Er ist hier völlig sich selbst überlassen und muss selbst, ggf. mit Unterstützung von der Behörde, überlegen, was erforderlich und zumutbar ist.

  8. In Österreich gibt es Überlegungen, das landesgesetzliche Veranstaltungsstättenrecht durch ein Regelwerk zu vereinheitlichen, das sich an der deutschen MVStättV orientiert. Wie waren Ihre Erfahrung mit der Einführung und Umsetzung der MVStättV 2002/2005 ?
    Grundlegend gut sowie in einigen Punkten auch sehr praxisgerecht. Nur temporär als Veranstaltungsstätte genutzte Locations werden darin jedoch oft zu oberflächlich behandelt oder sind teilweise überhaupt nicht geregelt.

  9. Haben Sie schon Erfahrungen im Zusammenhang mit Veranstaltungssicherheit in Österreich gemacht und wenn ja, wie beurteilen Sie die Situation hierzulande?
    Ich persönlich habe hier noch kein Projekt betreut, halte mich jedoch ständig auf dem Laufenden. In einigen Punkten hat Österreich die Nase vorn. Hier seien zum Beispiel die teils höheren Ausbildungsstandards und- voraussetzungen erwähnt. Auch ist es in Österreich eher gängige Praxis, dass die Behörde einem Veranstalter einen Sachverständigen für die Planung vorschreibt.

  10. Welche Entwicklungen werden aus heutiger Sicht den Umgang mit Veranstaltungssicherheit künftig beeinflussen/gibt es Ihrer Ansicht nach Entwicklungen, die den Umgang mit Veranstaltungssicherheit in der Zukunft beeinflussen werden?
    Da das Thema immer komplexer und umfangreicher wird und man sich selbst sich immer schwerer auf dem aktuellen Stand halten kann, sind Netzwerke und innovative Softwarelösungen als Wegweiser und Netzwerktools gute Ansätze. Auch wäre eine genauere und praxisgerechtere Rechtslage wünschenswert, bis hin zur Pflicht, Sicherheitsanforderungen und Fachleute je nach Größe von Veranstaltungen differenziert vorzuschreiben. Als Beispiel bietet sich der Straßenverkehr an: Als Fußgänger darf ich am Straßenverkehr ohne Voraussetzungen teilnehmen. Mit einem Fahrrad, sollte man an einer verkehrsrechtliche Unterweisung teilgenommen haben. Als Führer eine Kraftfahrzeuges muss man Theorie und Praxis lernen und die Prüfung bestehen. Für das Führen eines Busses zur Personenbeförderung bekommt man noch mehr Unterricht und wird bis hin wiederkehrende Tauglichkeitstest unterzogen. Ein solches abgestuftes Modell ja nach Größe und Gefährdungslage wäre bei Events ebenfalls sehr sinnvoll.